Hilfe für Menschen mit Psychischen Erkrankungen und seelischen Behinderungen

Was wir brauchen, sind ein paar verrückte Leute. Seht euch an, wohin uns die Normalen gebracht haben.

George Bernard Shaw

Wo Traurigkeit endet und Depression beginnt

Traurigkeit ist ein Gefühl, das immer häufiger als Depression diagnostiziert wird - In den letzten 30 Jahren wurde eine Palette von Medikamenten entwickelt -

New York - Traurigkeit ist eine der wenigen menschlichen Empfindungen, die in allen Gesellschaften und allen Zeiten anerkannt wurden. Einige der frühesten bekannten Epen wie die Ilias und das Gilgamesch-Epos beschreiben die tiefe Traurigkeit der Protagonisten nach dem Verlust enger Gefährten. Ebenso „klassische“ Auslöser von Traurigkeit sind unerfüllte Liebe, die Demütigung durch Rivalen oder die Unfähigkeit, Ziele zu erreichen.

Depressive Störungen sind ebenfalls lange bekannt. Hippokrates lieferte die erste Definition der Melancholie (heute „Depression“) als eigenständige Störung: „Wenn Angst oder Traurigkeit lange andauern, so handelt es sich um einen melancholischen Zustand.“ Die Symptome, die Hippokrates mit einer melancholischen Störung verband - „eine Abneigung gegen Essen, Niedergeschlagenheit, Schlaflosigkeit, Reizbarkeit, Ruhelosigkeit“ -, sind modernen Definitionen für depressive Störungen bemerkenswert ähnlich.

Wie Hippokrates erkannten Ärzte im Laufe der Geschichte immer wieder, dass sich die Symptome der normalen Traurigkeit und der depressiven Störung ähnelten. Depressive Störungen wichen von normalen Reaktionen ab, weil sie entweder auftraten, ohne dass es Situationen gegeben hätte, die normal zu Traurigkeit führen würden, oder weil sie gemessen an ihrer Ursache von unverhältnismäßiger Schwere und Dauer waren.

Die traditionelle Psychiatrie verwendete bei der Definition des Gemütszustandes einen kontextabhängigen Ansatz zur Diagnose einer depressiven Störung. Ob ein Zustand als gestört diagnostiziert wurde, hing nicht nur von den Symptomen ab, die bei normaler Traurigkeit ähnlich sein konnten, und nicht nur von der Schwere des Zustands, da normale Traurigkeit schwer sein kann und gestörte Traurigkeit mäßig, sondern davon, in welchem Maße die Symptome eine verständliche Reaktion auf die Umstände darstellten.

Diese Unterscheidung galt rund zweieinhalb Jahrtausende. 1980 jedoch gab die Psychiatrie diese Unterscheidung bei Erscheinen ihres offiziellen Diagnosehandbuchs DSM-III auf.

Die Definition der klinischen Depression wurde rein symptombasiert. Alle Zustände, die mindestens fünf von neun Symptomen aufweisen – etwa Niedergeschlagenheit, Freudlosigkeit, Schlaf- und Appetitprobleme, Konzentrationsschwäche und Müdigkeit – und zwei Wochen andauern, werden jetzt als depressive Störung angesehen.

Schwierige Symptomatik

Die einzige Ausnahme ist eine „unkomplizierte“, durch Trauer ausgelöste Depression. Symptome werden nur dann nicht als Störungen betrachtet, wenn sie nach dem Tod eines Vertrauten auftreten, nicht länger als zwei Monate anhalten und bestimmte besonders schwere Symptome nicht einschließen. Dennoch sind vergleichbare Symptome, die z. B. nach der Auflösung einer Liebesbeziehung, dem Verlust des Arbeitsplatzes oder der Diagnose einer lebensbedrohlichen Krankheit auftreten, nicht von der Diagnose einer Störungen ausgeschlossen. Die Verwechselung der normalen, intensiven Traurigkeit mit einer depressiven Störung im DSM-III entstand unbeabsichtigt aus der Reaktion der Psychiatrie auf Herausforderungen, mit denen der Berufsstand in den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts konfrontiert war. Eine einflussreiche Gruppe von forschenden Psychiatern war unzufrieden mit den Definitionen von Depression und verbreiteten psychischen Störungen in den früheren, psychoanalytisch beeinflussten Diagnosehandbüchern

Diese früheren Definitionen trennten Gefühle der Traurigkeit, die dem situationsbedingten Verlust entsprachen, von denen, die im Zusammenhang übertrieben erschienen, und definierten nur Letztere als Störung. Doch gingen sie auch davon aus, dass unbewusste, ungelöste psychische Konflikte Depressionen verursachten. Um diese unberechtigte psychoanalytische Annahme zu beseitigen, gaben die Forscher den Versuch auf, anhand des Kontextes oder der Krankheitsursache natürliche von gestörten Zuständen zu unterscheiden, und gingen davon aus, dass alle Zustände, auf die die symptombasierten Kriterien zutrafen, gestört waren.

Die neue Definition von Depression hat zu einer Medikalisierung der Traurigkeit geführt. Eltern, deren Kind schwer krank ist, Verheiratete, die die außerehelichen Affären ihrer Partner entdecken, oder Arbeitnehmer, die unerwartet ihren geschätzten Job verlieren, leiden nach dieser Definition unter einer psychischen Störung, wenn sie genügend Symptome entwickeln, um die DSM-Kriterien zu erfüllen. Das gilt auch, wenn Symptome verschwinden.

Wem es nützt

Von der Medikalisierung der Traurigkeit profitieren Psychiater und Ärzte, bei denen Millionen Menschen Hilfe suchen. Depressionen sind die am häufigsten diagnostizierten Leiden bei ambulanten Patienten. Noch profitabler ist die Medikalisierung von Depressionen für Pharmaunternehmen, deren Absatz an Antidepressiva in die Höhe geschnellt ist. Es wäre nicht schwer für die Psychiatrie, eine angemessenere Definition für depressive Störungen auszuarbeiten, die die natürliche Traurigkeit „entmedikalisiert“. Die Diagnosekriterien könnten einfach die aktuelle Ausnahme für Trauerfälle erweitern, sodass sie Zustände einschließen würde, die sich nach anderen Verlusten entwickeln und nicht anhaltend sind. So würde intensive Traurigkeit wieder als unausweichlicher Aspekt des menschlichen Daseins betrachtet und nicht unbedingt als Störung. (Allan V. Horwitz, Jerome C. Wakefield*,DER STANDARD, Printausgabe, 1.2.2010)

Termine und Veranstaltungen

Start: Dienstag, 09.04.24, 17.00 Uhr

Psychoedukation bei Depression

Kurs über 5 Abende.
Kosten: Kostenlos.
Anmeldung erforderlich.
Weitere Informationen hier.

Mittwochs, 14tägig,  17.00 Uhr
in der arCus-Kontaktstelle

Mit Selbstvertrauen geht alles besser

Selbsthilfeprojekt für junge Menschen in Kooperation mit der KISS
(Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe des Paritätischen Peine)

Die Stärkung von Selbstvertrauen, Motivation, sozialer Kompetenz, Kommunikationsfähigkeit und anderer wichtiger Eigenschaften steht im Mittelpunkt des Projektes, das die Kontaktstelle für Selbsthilfe des Paritätischen (KISS) und die arCus-Kontaktstelle gemeinsam anbieten.
Weitere Informationen dazu gibt es im Flyer, der hier heruntergeladen werden kann:

Mit Selbstvertrauen geht alles besser

Telefonberatung